Starkes Plädoyer

Veröffentlicht am 13.06.2013 in Stadtverband

Im Zusammenhang mit der Veranstaltungsreihe „Zukunftsentwürfe“ von SPD-Bundestagskandidat Dr. Lars Castellucci gab Dr. Nina Scheer ein starkes Plädoyer für die Energiewende ab. Nina Scheer wurde 1971 in Berlin geboren, ist in Stuttgart und Remagen aufgewachsen. Ihr Vater ist der 2010 verstorbene SPD-Politiker Hermann Scheer, einer der führenden Umweltpolitiker der Partei. Nina Scheer leitet die Herman-Scheer-Stiftung und ist Mitglied der Grundwertekommission der SPD. Die 41-Jährige hat Musik studiert, war bis 1996 als Violinistin Mitglied im Essener Folkwang-Kammerorchester. Anschließend studierte sie Jura und promovierte im Jahr 2008 in Leipzig in Politikwissenschaften (Titel: Welthandelsfreiheit vor Umweltschutz?). Seit 2007 ist sie Bundesgeschäftsführerin des ökologischen Unternehmerverbandes UnternehmensGrün.

Ergänzend zur Berichterstattung in der RNZ von Alexander Becker sollten hier noch ein paar Bemerkungen zum Vortrag von Nina Scheer erscheinen, um dessen Inhalt nochmals zu verdeutlichen. Es wird hier bewusst auf zu viele Zahlen verzichtet. Überall wird den Menschen vorgegaukelt, dass das Leben im Großen und Ganzen so weitergehen kann wie bisher- mit all den Annehmlichkeiten, die billige Energie im Überfluss uns bislang beschert hat.

Die Energiewende in Deutschland erfordert eine abgestimmte europäische Energiepolitik. Nur dann ist die Aufgabe zu erfüllen, sichere, nachhaltige und bezahlbare Energie zur Verfügung zu stellen. Gewiss ist dieses Projekt nur in Schritten zu verwirklichen sein. Aber ebenso ist gewiss, dass die neue Energieversorgung eine regionale Kooperation braucht, z.B. für Speicherung erneuerbarer Energien durch Pumpspeicherkraftwerke, für Stromleitungen oder für die Ausweisung und Nutzung von Flächen für Wind-und Solaranlagen. Diese Einrichtungen müssen jetztlich vor Ort entschieden und betrieben werden, am besten von Kommunen.

Chancen der Energiewende werden gesehen, aber in der Bevölkerung wächst die Skepsis über die Energiewende. Viele sorgen sich über die Energiekosten. Der Atomausstieg ist dagegen kein wichtiges Thema mehr.

Die Chance, die die Energiewende birgt, wird in der Bevölkerung also gesehen. Ein Ergebnis einer Studie sollte uns allerdings wirklich alarmieren: Der Anstieg der Energiepreise ist das von den Bürgern am stärksten wahrgenommene Energie-Thema. Der Strompreis sei zu hoch. Hier ist Politik gefragt, Lösungen zu schaffen – Scheinlösungen wie die jüngst diskutierte „Strompreisbremse“ bringen uns nicht weiter. Aber auch die Medien müssen sich fragen lassen, welche Rolle sie spielen. Denn anstatt von den Chancen der Energiewende zu berichten, von den Arbeitsplätzen, die geschaffen werden, dominiert seit Monaten deutschlandweit das Strompreis-Thema.

So wird immer wieder insbesondere das EEG als Kostentreiber dargestellt. Es wird dabei auf die weiter steigende Umlage verwiesen, die insbesondere aufgrund des Solarstroms bald nicht mehr zumutbar sei. Verschwiegen wird dabei aber, dass 0,9 Cent der heute 3,6 Cent je kWh liegenden EEG Umlage auf Umlagebefreiung für energieintensive Unternehmen zurückzuführen sind. Verschwiegen wird auch, dass die Umlage Entwicklungskosten enthält, die sich zukünftig nicht fortsetzen werden. Selbst wenn Staaten die Einpreisung der genannten externen Effekte und Lenkungsmaßnahmen nicht in der gebotenen Eile gelingen sollte, werden sich erneuerbare Energien-Technologien, aufgrund der der hier stetig sinkenden Herstellungskosten früher oder später ökonomisch gegenüber fossiler und atomarer Energiegewinnung durchsetzen. Dieser Weg ist schwierig, weil eine neue Energie-Klimapolitik auch wirtschaftlich und sozial tragfähig bleiben soll. Also auf einem Feld das die Sozialdemokratie vornehmlich besetzt.

Energiewende als Innovation für die Stadt und für die Region

Die Energiewende wird in Stadt und Land ohnehin unterschiedlich verwirklicht. Aber die größten Reserven schlummern in der energetischen Sanierung des Wohnbestands. Notwendig ist daher ein Stadtumbau mit intelligenten Konzepten, wie öffentliche Förderprogramme, kommunale Bauvorschriften, energetische Ziele und Finanzierungsangebote zusammenwirken, um private Investitionen auszulösen, ohne die es nicht gehen wird. Das Handwerk mit seinem Know-How steht bereit und hat zur ganzheitlichen Sanierung des Wohnungsbestands eine führende Rolle- und einen riesigen Markt. Der unausweichliche Strukturwandel bietet für kommunale Energieversorger die Chance, ihre Rolle neu zu definieren, neue Geschäftsfelder zu identifizieren und sich im Wettbewerb zu positionieren. Klimaschutz, eine sichere Energieversorgung zu fairen Preisen, wirtschaftlicher Erfolg, Wachstums- und Beschäftigungssicherung gehen dabei Hand in Hand."

"Die Rolle der kommunalen Stadtwerke für mehr Wettbewerb im Energiemarkt und den Ausbau erneuerbarer Energien sowie den Einsatz der hocheffizienten Kraft-Wärme-Kopplung muss durch das Energiekonzept der Bundesregierung nachhaltig gestärkt werden. Eine regionale und dezentrale Energieversorgung ist nutzernah, wirtschaftlicher, umweltfreundlicher und hat deshalb Priorität. Der Weg zur Energie-Autonomie wird für alle Beteiligten auch ein Lernprozess sein, der sich an jeweiligen technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten orientiert und ein Umdenken in der Bürgerschaft erfordert.

Jahrelang unterlassene Investitionen

Hier wird gerne das alte Klischee von den ach so teuren Erneuerbaren Energien bedient, die daran schuld seien. Warum wird nicht erklärt, dass die Erneuerbaren den Strom billiger machen, das aber beim Verbraucher nicht ankommt? Dass jahrelang unterlassene Investitionen in Stromnetze und Ausnahmeregelungen für alle möglichen Unternehmen ihren Beitrag zum steigenden Strompreis leisten? Auch in Frankreich und England wird Strom übrigens teurer – ohne Energiewende! Nur negative Nachrichten sind halt gute Nachrichten? Es ist Zeit für eine neue Debatte – eine ehrliche. Viele Menschen glauben nicht an die Energiewende. Kann eine Nachricht deutlicher sein? Nein. Aber ist sie dann auch richtig? Nein.

Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidet über die Energiewende