Dem neuen Wahlverfahren eine Chance.

Veröffentlicht am 29.07.2023 in Kommunalpolitik

"Teilortswahl sorgt erneut für Emotionen" war in der Zeitung über die letzte Gemeinderatssitzung zu lesen, wo das Thema "Kommunales Wahlrecht" erneut auf der Tagesordnung stand. Obwohl die Berichterstattung einen anderen Eindruck erwecken konnte, stimmten selbstredend auch die Sozialdemokraten für die Durchführung eines Bürgerentscheids; ist dieser doch legitimes Instrument einer gelebten Demokratie, wie sie ausdrücklich befürwortet wird.

Noch mehr hätten wir uns allerdings gewünscht, dass über die zahlreichen guten Argumente, die für eine Abschaffung des unechten, wahlverzerrenden Systems sprechen, diskutiert worden wäre – aber Fehlanzeige!

Am Ende gibt es nun zwar einen Bürgerentscheid, der aber zu früh kommt und dessen Fragestellung zu lang und irreführend ist. Schon die Formulierung „Sind Sie dafür, dass auch künftig alle Teilorte ... im Gemeinderat … vertreten sind“ geht an der Realität vorbei. Schließlich waren und sind alle Stadtteile durch ihre Ortsvorsteher immer in allen Sitzungen und Ausschüssen vertreten – daran ändert sich schonmal gar nichts! Auch bleibt die Ortsverfassung unangetastet.

Was uns aber stört: Die Initiatoren des Bürgerbegehrens operieren mit der Angst, die durch Nichts gestützt ist! Woher wollen sie denn wissen, wie sich das neue Wahlrecht auswirkt ohne es je erprobt zu haben? Es wäre aus unserer Sicht eine Chance und viel sinnvoller gewesen, erst einmal die Kommunalwahl 2024 abzuwarten und dann die Bürger im Lichte der Erfahrungen entscheiden zu lassen, was sie besser finden. Aber dieser Mut fehlt den Initiatoren offensichtlich. Stattdessen nimmt man in Kauf, dass mit diesem Verfahren unnötig Gräben aufgerissen werden und im Vorfeld der Kommunalwahl ein absolutes „Wahlchaos“ droht.

Wie auch immer: Beim Thema Wahlverfahren geht es überhaupt nicht darum, einem Stadtteil etwas weg zu nehmen oder Fronten aufzubauen. Es geht vielmehr darum, was künftig zusammenschweißt, voranbringt und effizient ist. Und um die existentielle Frage, was wir uns in Sinsheim und unseren Stadtteilen angesichts von demnächst 41 Mio. Schulden (allein im Kernhaushalt) in den nächsten Jahrzehnten überhaupt noch leisten können. Wer nach 50 Jahren Zusammenwachsen zur Großen Kreisstadt immer noch mit dem gemeinsamen Stadtprojekt „fremdelt“, sollte sich ernsthaft fragen, ob er die Gemeindereform richtig verstanden hat.