Erhard Eppler entlarvte Marktradikale und Volksverdummer

Veröffentlicht am 14.06.2010 in Stadtverband

Volles Haus bei sommerlichen Temperaturen – das ist nicht selbstverständlich, wenn es um Politik geht. Entsprechend freute sich der SPD-Stadtverband über das große Interesse an seiner Veranstaltung mit Erhard Eppler, die im Sinsheimer Cafe am Burgplatz stattfand.

Der frühere Parlamentarier und Bundesminister unter drei Kanzlern hat sich jahrelang mit dem Gebrauch der Sprache in der Politik auseinandergesetzt und seine gesammelten Erfahrungen nun unter dem Titel "Der Politik aufs Maul geschaut – Kleines Wörterbuch zum öffentlichen Sprachgebrauch" zu Papier gebracht.

"In dem Buch geht es um Missbrauch", so Landtagskandidat Thomas Funk in seinen einführenden Worten, "allerdings nicht um Drogenmissbrauch, Amtsmissbrauch oder Sozialmissbrauch, sondern um den 'Missbrauch' von Sprache und den 'Missbrauch' von Begriffen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien."

Eppler widmete sich an diesem Abend den Begriffen "Bierdeckel", "bürgerlich", "Leistungsträger", "Fortschritt" und "Ideologie", um aufzuzeigen, welche Absichten oder Ansichten dahinter stecken oder wie dadurch Sachverhalte vernebelt werden. Gekonnt legte er den ursprünglichen Gehalt dieser Begriffe frei und nahm ihre Abwege aufs Korn. Bedeutete beispielsweise "bürgerlich" ursprünglich den aufgeklärten, verantwortungsbewussten Demokraten, der sich dem Gemeinwohl verschrieben hat, so steht die "neue Bürgerlichkeit" für den Rückzug ins Private, weg von einem Staat, von dem angeblich alles Unheil kommt.

Die Spaltung der Gesellschaft ist für den neuen Bürger kein Albtraum und soziale Gerechtigkeit keine Aufgabe, sondern nur ein Reizwort. Er huldigt der Überlegenheit des Marktes. So erklärt sich auch der Wunsch nach Einfachheit wie dem sog. "Bierdeckel"-Steuersystem. Zwar teile er das Bedürfnis nach Verständlichkeit, so Eppler, "aber ein Steuersystem, das gerecht sein will, ist niemals einfach. Und wenn es einfach wäre, wäre es niemals gerecht."

Auch der Leistungsbegriff wurde unter die Lupe genommen und engagiert diskutiert. So unterstellte Thomas Funk, dass Sozialdemokraten Leistung sicher anders definieren als die Herren Westerwelle oder Mappus. Wer nämlich wie die Marktradikalen Leistung ausschließlich am Einkommensteuervolumen festmacht, adle "Verzocker von Millionen" und andere Spekulanten, beleidige aber den schrumpfenden Mittelstand, Alleinerziehende oder pflegende Familienangehörige.

Die aufgestellten Thesen sorgten für eine angeregte Aussprache – zur Freude des Gastes. Erhard Eppler formulierte mit Lust und wusste stets eine passende Anekdote zu erzählen. Man nimmt ihm seine ehrliche Sorge um das Wohl der Gesellschaft ab und wohl genau deswegen wirkt er auf das Publikum so authentisch.

Thomas Funk dankte dem Gast für seinen unterhaltsamen Vortrag mit einem Präsent. Die Zuhörer verabschiedeten ihn mit herzlichem Applaus.