Interview: "Dem industriellen Mittelstand über die Runden helfen"

Veröffentlicht am 06.04.2009 in Landespolitik

Claus Schmiedel, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag, hat der Stuttgarter Zeitung ein Interview gegeben, das wir an dieser Stelle veröffentlichen. Darin schlägt er u.a. vor, Kapitalspritzen für Unternehmen aus einem Baden-Württemberg-Fonds zu finanzieren.
Dem Wirtschaftsministerium wirft er im Gespräch mit Renate Allgöwer vor, dort drehe man Däumchen.

In der neuesten Umfrage profitiert die SPD von Verlusten der Linken. Schlägt in der Krise die Stunde der SPD?

In dieser Krise muss man beherzt handeln und darf sich nicht auf Lehrbuchformeln zurückziehen. Es ist meine feste Überzeugung, dass die Wirtschaft ohne aktives Eingreifen des Staates nachhaltig Schaden nehmen könnte. Da ist die SPD richtig positioniert. Der Kanzlerkandidat sagt, wenn es notwendig und sinnvoll ist, muss der Staat handeln. Dann darf man nicht nach Ursachen und Nebenwirkungen fragen, sondern muss helfen.

Diese Auffassung teilen Sie als Wirtschaftspolitiker der Südwest-SPD?

Diese Auffassung teilen wir entschieden und finden es befremdlich, dass die CDU über die Abwrackprämie mosert. Gerade diese Prämie sorgt dafür, dass der industrielle Mittelstand, die Zulieferindustrie in Baden-Württemberg, Aufträge bekommt, die zwar nicht alles auffangen, aber doch helfen, in der jetzigen Situation über die Runden zu kommen.

Was ist das wirtschaftspolitische Profil der SPD in Baden-Württemberg?

Wir tun was, um dem industriellen Mittelstand über die Runden zu helfen. Alle Unternehmen machen Krisenpläne, sie entlassen die Leiharbeiter, sie verlängern keine befristeten Arbeitsverträge, sie setzen die Stammbelegschaft auf Kurzarbeit. Trotzdem decken die Einnahmen die Ausgaben nicht. Die Unternehmen müssen deshalb massiv Eigenkapital verzehren. Sie tun das in der Erwartung, dass jede Krise einmal ein Ende hat. Dann brauchen sie die Stammbelegschaft. Jetzt ist die Krise aber so tief, dass manchen Unternehmen abrupt bis zu 80 Prozent der Aufträge wegbrechen. Wenn dieser tiefe Abbruch länger anhält, brauchen die Unternehmen entweder neues Eigenkapital, oder sie müssen massenhaft Arbeitnehmer entlassen. So eine Situation herrscht gerade bei Heidelberger Druck, die 5000 Arbeitnehmer auf die Straße setzen wollen. Soll der Staat zuschauen und für die Arbeitnehmer sorgen, wenn sie arbeitslos sind, oder ist es nicht besser, dass der Staat vorübergehend mit Geld in die Unternehmen geht? Wir wollen die Eigenkapitalbasis der Betriebe verbessern. So bekommen sie Luft und müssen keine oder weniger Arbeitnehmer entlassen. Wenn sie sich erholt haben, können sie nach einigen Jahren das staatliche Geld ablösen.

Woher nehmen Sie das Geld?

Wir schlagen vor, zusammen mit der Förderbank des Landes einen Baden-Württemberg-Fonds zu bilden. Er soll eine Anleihe von einer Milliarde Euro umfassen. Die wird vom Land verbürgt. So käme sofort das Geld vom Kapitalmarkt zusammen. Private Investoren könnten einsteigen. Der Fonds würde Beihilfen in der Größenordnung zwischen einer und 50 Millionen Euro geben. Das Geld soll gezielt dazu eingesetzt werden, um dem industriellen Mittelstand in dieser Krise die Eigenkapitalbasis zu sichern.

Und wenn das Unternehmen dennoch pleitegeht?

Das ist nicht auszuschließen, wird aber durch den Zugewinn an anderer Stelle ausgeglichen. Ich bin ganz sicher, dass bei einer professionellen Verwaltung dieses Fonds für den Staat langfristig unter dem Strich mindestens eine schwarze Null stehen wird. Damit wäre der Steuerzahler nicht belastet, vielmehr würde er dadurch gewinnen, dass industrielle Substanz und Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Was macht die Landesregierung falsch?

Was Opel für die Republik ist, ist Heidelberger Druck für Baden-Württemberg. Es ist ideologisch kurzsichtig und wirtschaftspolitisch falsch, wenn Herr Oettinger Staatsbeteiligung grundsätzlich ablehnt. Er und Frau Merkel setzen auf private Investoren, die der Staat mit einer Bürgschaft schützen will. Das ist falsch, mit einer Bürgschaft haftet man genauso. Man bekommt aber nur eine läppische Bürgschaftsgebühr, und man hat nichts zu sagen. Wenn ich aber das Geld des Steuerzahlers einsetze, will ich auch das Standortinteresse verfolgen. Deshalb sollte man sich von der reinen Lehre der Nichteinmischung des Staates trennen. Denn diese Krise entspricht nicht der reinen Lehre. Sie ist allenfalls mit der Weltwirtschaftskrise 1929 vergleichbar.

Wie sieht es in Baden-Württemberg aus?

Wir stehen zwar national gesehen noch anständig da, holen aber bei den Arbeitslosenzahlen massiv in Richtung Bundesdurchschnitt auf. Die Krise trifft uns enorm hart. Deshalb sind gerade in Baden-Württemberg eigene Maßnahmen des Staates notwendig.

Kann der Staat der Krise tatsächlich wirksam gegensteuern?

Der Staat muss alles tun, damit die Aufträge kommen. Da ist es absolut töricht, dass die Landesregierung eine Investition von 200 Millionen Euro blockiert, die die Wirtschaft aus eigener Kraft tätigen will. Die Regierung weigert sich partout, ein Wegerechtsgesetz für die Ethylenpipeline von Bayern nach Ludwigshafen auf den Weg zu bringen. Sie hat Angst, bei der Kommunalwahl ein paar Stimmen aus der Landwirtschaft zu verlieren. Das ist völlig absurd. Die Basis unseres Wohlstands sind nicht die Äcker, sondern die Industrie. Die chemische Industrie hier zappeln zu lassen heißt, massiv die Interessen unseres Landes zu verletzen. Wir müssen auch die Auftragsabwicklung mit Bürgschaften stützen, um Investitionen, die die Wirtschaft vorhat, zu unterstützen. Das erfordert eine aktive Wirtschaftspolitik, nicht wie die jetzige, wo sie im Wirtschaftsministerium Däumchen drehen.

Können Sie mit ihrer Position in den Wahlkämpfen punkten?

Im Kommunalwahlkampf geht es weniger um Programme als um Köpfe. Ich glaube aber, dass die Zurückhaltung Oettingers im Sommer nicht mehr goutiert wird. Bis dahin wird zwangsläufig bei vielen die Kurzarbeit in Arbeitslosigkeit übergehen. Dann ist die Krise angekommen, und auch die Kauffreude wird verloren gehen.

Dann also in der Bundestagswahl?

Ich glaube, dass wir mit dem aktiven Eingreifen des Staates richtig aufgestellt sind. Die Abwägung lautet doch: Nichtstun bringt Arbeitslosigkeit, Arbeitslosigkeit kostet Geld, etwas tun kostet auch Geld. Dann ist es immer noch besser, aktiv etwas zu tun und die Arbeitslosigkeit zu verhindern. Die CDU ist gespalten. Die SPD zeigt Profil, das wird sich auszahlen.

Wie sieht es für die SPD im Land aus?

Die Kommunal-, die Europa- und die Bundestagswahl sind für uns auch wichtige Vorentscheidungen mit Blick auf die Landtagswahl 2011. Wir stellen mit Freude fest, dass die SPD in Baden-Württemberg sich bei den Umfragen verbessert. Es wird honoriert, dass wir unsere Politik sehr konkret an den Bedürfnissen der Bürger ausrichten. Die Regierung dagegen sitzt in Stuttgart und weiß alles besser.

Den Innenminister haben Sie unter "intensive Beobachtung" gestellt. Den Rücktritt des Kultusministers haben Sie schon länger gefordert. Gilt das noch?

Der wäre überfällig. Das wäre ein Aufatmen im Land. Aber Ministerpräsident Oettinger hält ja an Rau fest. Er hat nicht die Kraft, einen Kultusminister zu entlassen, der seiner Aufgabe nicht gerecht wird. Beispiel: berufliche Gymnasien. Hier werden in hohem Maße Interessenten abgewiesen. Der Durchschnitt für die Aufnahme war mal bei 3,0 gedacht, heute müssen die Schüler 2,0 bringen. Die abgewiesenen weichen oft auf private Schulen aus. Dazu kommt, dass man sich in der Arbeitslosigkeit weiter qualifizieren soll. Alle reden davon. Viele wollen sich zum Meister oder zum Techniker weiterbilden. Es gibt aber nicht ein einziges zusätzliches Angebot.

Wer wird die SPD in die Landtagswahl führen?

Theoretisch sind alle möglich, die das notwendige Alter (nämlich 35) und ein SPD-Parteibuch haben. Niemand ist von vorneherein auszuschließen. Es wird der- oder diejenige sein, die ein Höchstmaß an Gewähr dafür bietet, eine Höchststimmzahl für die SPD zu erreichen. Das ist eine ganz rationale Abwägung , die im nächsten Jahr zu erfolgen hat.

Treten Sie selbst an?

Niemand ist auszuschließen. Ich bin ja 35 Jahre alt, und ich habe das SPD-Parteibuch.

 
 

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