Positionspapier des Forums Eine Welt: Zukunftsfähigkeit sichern

Veröffentlicht am 25.11.2011 in Landespolitik

Baden-Württemberg übt Solidarität in globaler Verantwortung

Die Globalisierung so zu gestalten, dass alle Menschen auf der Welt von ihr profitieren, ist für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eine zentrale Aufgabe. Als Partei Willy Brandts haben wir eine lange Tradition in der Diskussion von Grundsatzfragen der internationalen Politik, der Globalisierung und der Entwicklungspolitik.

Wir wollen mit dem Forum Eine Welt Dialoge schaffen, das Bewusstsein für die Herausforderungen einer sich globalisierenden Welt schärfen und Ideen für eine soziale und gerechte Politik für die Eine Welt weiterentwickeln. Mit diesem Beitrag schlagen wir der Landesregierung in Baden-Württemberg Leitlinien für eine neue Entwicklungspolitik des Landes vor. Unser oberstes Ziel ist es: Soziale Gerechtigkeit schaffen und globale Armut bekämpfen, Globalisierung sozial und ökologisch gestalten und den Frieden nachhaltig sichern! 1. Die Landesregierung steht zur entwicklungspolitischen Verantwortung Mit einem Bekenntnis zur Partnerschaft mit den Bürgerinnen und Bürgern in Entwicklungsländern befindet sich die Landesregierung im Einklang mit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom Oktober 2008 „Zukunftsfähigkeit sichern – Entwicklungspolitik in gemeinsamer Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen“. Die Herausforderungen zur Bekämpfung der Armut in der Welt sind enorm. Die Landesregierung sollte zu ihrer Verantwortung in einer globalen Welt stehen und bereit sein, hierfür ihren Beitrag zu leisten. Die Entwicklungspolitik des Landes sollte auf dem Leitbild einer Nachhaltigen Entwicklung basieren, wie sie in der Agenda 21 vorgegeben ist. Die Landesregierung sollte aus vielen Gründen zu ihrer für die Bekämpfung der Armut, dem Einsatz für Menschenrechte, Umweltschutz, Frieden und globale Gerechtigkeit sowie für eine nachhaltige Entwicklung weltweit stehen:
  • (1) Die Bürger/innen Baden-Württembergs leben in der Tradition der christlichen Ethik und der humanistischen Werte. Hieraus wird nicht nur Solidarität für die Schwachen und Armen abgeleitet, sondern auch die Bereitschaft zu einer tätigen Hilfe für die Benachteiligten in einer globalen Welt.
  • (2) Baden-Württemberg ist ein Exportland, das durch den internationalen Handel ein reiches Industrieland geworden ist. Baden-württembergische Unternehmen haben darüber hinaus weltweit Standorte, auch in Entwicklungsländern. Ethisches und faires unternehmerisches Handeln im Sinne einer Corporate Social Responsibility (CSR) sichert nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen, sondern gleichermaßen Entwicklungschancen für Menschen und Regionen in Entwicklungsländern.
  • (3) Die Bürgerinnen und Bürger Baden-Württembergs engagieren sich in vielfältiger Weise in Kirchen, Vereinen, Initiativen oder persönlichem Engagement. Sie üben dadurch praktische Solidarität mit Menschen in Entwicklungsländern. Der Förderung dieses Engagements sollte sich die Landesregierung in besonderer Weise verpflichtet fühlen.
  • (4) Im Industrialisierungsprozess sind auch in Baden-Württemberg über viele Jahrzehnte hinweg die natürlichen Ressourcen des Landes überbeansprucht worden. Der dadurch ausgelöste Klimawandel ist international nur gemeinsam zu bewältigen und erfordert vor allem unser Engagement und Know-how in der Klima- und Energiepolitik hierzulande wie auch in den Entwicklungsländern.
  • (5) Innovationen sind die treibenden Kräfte für die wirtschaftliche Entwicklung und die Bewältigung ökologischer Herausforderungen. Baden-Württemberg ist ein Land der Innovationen und hat daher die Verpflichtung, Wissen und Innovationen mit Entwicklungsländern zu teilen, um Modelle für nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum und sozialen Zusammenhalt zu verbreiten.
  • (6) Migration ist eine globale Realität (Binnenmigration und internationale Migration) mit weltweit steigenden Zahlen. Auch in Baden-Württemberg haben Migranten eine neue Heimat gefunden. Die Entwicklungszusammenarbeit soll dazu beitragen, Perspektiven in den Herkunftsländern (Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten) zu verbessern und Ursachen für Migration abzubauen. Dabei sollten die vielfältigen Kontakte in ihre Heimatländer und das Know-how der Migranten in Baden-Württemberg mit eingebunden werden.
Das Engagement der Landesregierung in der Entwicklungszusammenarbeit sollte sich daher auf Handlungsfelder konzentrieren, die sich an den oben genannten Themenfeldern ausrichten und dadurch einen speziellen Bezug zu Baden-Württemberg haben. 2. Ziele und Leitlinien der Entwicklungszusammenarbeit der Landesregierung Die Entwicklungspolitik der Landesregierung sollte das Ziel haben, dem Ideal einer Welt ohne Armut, gewaltsame Konflikte und ökologischer Zerstörung ein Stück näher zu kommen. Die internationale Gemeinschaft hat mit aktiver Beteiligung der deutschen Regierungen in verschiedenen Abkommen und Verträgen einzelne Etappen auf dem Weg dorthin festgelegt1. Die acht Ziele der Millenniumserklärung von 2000 sind auch heute noch aktuell: Beseitigung von extremer Armut und Hunger, Primärschulbildung für alle, Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Empowerment von Frauen, Reduzierung der Kindersterblichkeit, Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter, Bekämpfung von HIV/Aids, Malaria und anderen Krankheiten, ökologische Nachhaltigkeit sowie Aufbau einer weltweiten Entwicklungspartnerschaft. Diese Ziele sollten auch für die entwicklungspolitische Arbeit der Landesregierung Baden-Württemberg den Rahmen und die Messlatte bilden. Wohl wissend, dass das Land Baden-Württemberg aufgrund der angespannten öffentlichen Haushalte nur begrenzte Beiträge zu den gemeinsamen internationalen Anstrengungen leisten kann, sollte die Landesregierung sich um eine Schwerpunktbildung bemühen. Die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit sollten sich an den folgenden Stärken des Landes Baden-Württemberg ausrichten:
  • Baden-Württemberg hat eine Wissensgesellschaft mit international anerkannten Universitäten und Bildungseinrichtungen. Es bestehen vielfältige internationale Kontakte von Hochschulen und anderen Bildungseinrichtuingen. Die wissenschaftliche Kooperation sollte daher weiterhin ein Schwerpunkt der Entwicklungszusammenarbeit der baden-württembergischen Landesregierungen sein.
  • Baden-Württemberg ist ein Land der Erfinder und Entwickler und ein Innovationsstandort in Europa. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit sollten daher innovative und angepasste Technologien, Verfahren und Methoden in die Entwicklung der Partnerländer eingebracht werden. In diesen Know-how Transfer sollten neben der Wissenschaft auch Unternehmen und Verbände der Wirtschaft sowie die öffentliche Verwaltung eingebunden werden, wie dies z.B. in der beruflichen Bildung schon in der Vergangenheit sehr erfolgreich geschehen ist.
  • Das bürgerschaftliche Engagement der Kirchen und der Zivilgesellschaft für eine globale und gerechte Welt ist in Baden-Württemberg besonders ausgeprägt. Die Landesregierung sollte dieses Engagement als wichtigstes Element der Entwicklungszusammenarbeit im Lande betrachten und weiter voranbringen. Die Landesregierung sollte einen Dialog mit den im Land tätigen gesellschaftlichen Gruppen führen, um die gegenseitige Information, das gegenseitige Lernen und wo immer möglich ein gemeinsames Engagement in der Entwicklunbgszusammenarbeit zu fördern.
Der Reichtum des Landes beruht zu einem großen Teil auf den Absatzmöglichkeiten baden-württembergischer Produkte im Ausland, nicht zuletzt in den Entwicklungsländern. Es ist daher nur gerecht, wenn die Landesregierung im Gegenzug den Absatz von Produkten aus Entwicklungsländern in Baden-Württemberg zu Bedingungen eines Fairen Handels fördert. Exportorientierte Baden-Württembergische Unternehmen, die im Rahmen ihrer unternehmerischen Gesellschaftsverantwortung (CSR) hierzu beitragen können, sollten dabei mit eingebunden werden. Das Verständnis für globale Themen und Zusammenhänge sind Grundlage eines Bewusstseinswandels und einer Verhaltensänderung in Richtung Nachhaltigkeit. Die Landesregierung sollte diese Bewusstseinsbildung auch in der Entwicklungszusammenarbeit fördern und dies als einen Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes verstehen. Baden-Württemberg hat in Deutschland mit ca. 25% den höchsten Anteil an Migranten. Entwicklungspolitik ist eigentlich „per se schon interkulturell“ und die interkulturelle Kompetenz der Bürger ist eine Schlüsselqualifikation für globales Handeln und nachhaltige Kooperation in entwicklungspolitischen Kontexten. Die Landesregierung sollte daher den interkulturellen Dialog zwischen den ausländischen und deutschen Bürgern in Baden-Württemberg verstärkt fördern. 3. In die Entwicklungszusammenarbeit möglichst viele Akteure einbinden Die Landesregierung sollte in die Entwicklungszusammenarbeit in Baden-Württemberg möglichst viele Akteure einbinden. Sie würde dabei dem Prinzip der Subsidiarität folgen und das Engagement vieler Bürger/innen, der Kirchen, Nichtregierungsorganisationen, Kommunen, Unternehmen, Schulen und anderen als die wichtigste Säule der Entwicklungszusammenarbeit betrachten. Die Landesregierung sollte sich wir ihre Vorgängerregierungen jedoch auch in der Verantwortung sehen, weiterhin einen eigenen staatlichen Beitrag für die Entwicklungszusammenarbeit zu erbringen. Zur Förderung und lebendigen Fortentwicklung diesen Engagements hat die Landesregierung vor 20 Jahren die Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ) gegründet. Sie hat sich zu einem lebendigen Motor des Bürgerschaftlichen Engagements in Baden-Württemberg für die Eine Welt entwickelt. Über den Stiftungsrat der SEZ wird eine breite gesellschaftliche Beteiligung aller in Baden-Württemberg in der Entwicklungszusammenarbeit tätigen nicht-staatlichen Organisationen (z.B. Kirchen, DEAB, Gewerkschaften, Kommunen, Handwerk, Industrie, Banken und Viele mehr). Die Landesregierung sollte das Engagement der Bürger/innen und entwicklungspolitisch tätigen Organisationen in Baden-Württemberg sowie die entwicklungspolitische Bildungsarbeit auch weiterhin über die SEZ unterstützen. Die Förderung über die SEZ sollte dabei gewährleisten, dass die Selbständigkeit und Unabhängigkeit bürgerschaftlichen Engagements von staatlichen oder politischen Einflüssen gewahrt bleiben. Über die Vertretung gesellschaftlicher Gruppen im Stiftungsrat der SEZ sollte im Land eine möglichst breite Beteiligung der Zivilgesellschaft an der Entwicklungszusammenarbeit gewährleistet werden. Die Landesregierung sollte neben der Unterstützung des bürgerschaftlichen Engagements auch weiterhin eine eigene staatliche Entwicklungszusammenarbeit betreiben. Dabei ginge es um entwicklungspolitische Kooperationen, die in Zusammenarbeit mit Baden-Württembergischen Fachinstitutionen und den zuständigen Fachministerien (z.B. Wirtschaft, Umwelt, Ländlicher Raum, Wissenschaft) durchgeführt werden. Partner wären hier staatliche Institutionen in Entwicklungsländern, mit denen gemeinsam aktuelle Themen einer globalen Partnerschaft bearbeitet werden könnten (z.B. Klimawandel, Energieeffizienz, ökologische Nachhaltigkeit, Fair Trade, Good Governance u.a.). Auch diese Form der Kooperation hat in Baden-Württemberg eine lange Tradition. Der von den Vorgängerregierungen hierfür sukzessiv abgebaute Haushaltstitel soll schrittweise wieder aufgebaut werden. Die Landesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass die Baden-Württemberg Stiftung auch Projekte zum Globalen Lernen in Baden-Württemberg sowie zur Bildung und sozialen Verantwortung in Entwicklungsländern fördert. Hierzu bietet sich die Fortsetzung der Förderlinie von Projekten baden-württembergischer Nicht-Regierungsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit an. Weitere Förderlinien zum Globalen Lernen und zur beruflichen Bildung und damit zur Förderung der Einkommenschancen für arme Bevölkerungsgruppen in Entwicklungsländern werden empfohlen. Die Abgeordneten des Landtags Baden-Württembergs haben vor vielen Jahren partnerschaftliche Beziehungen mit Burundi aufgenommen. Seither sind eine Vielzahl von Kooperationen auf kirchlicher, privater, unternehmerischer und wissenschaftlicher Ebene initiiert und gefördert worden. Sie haben damit an vielen Orten in Burundi zur Entwicklung des Landes beigetragen. Eine besondere Stärkung erfuhr das vielseitige Engagement durch die Errichtung und den Aufbau des Kompetenzzentrums Burundi bei der SEZ. Diesem Engagement für Burundi und für andere seit vielen Jahren partnerschaftlich mit Baden-Württemberg verbundenen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika sollten sich der Landtag und die Landesregierung weiterhin verpflichtet fühlen. Die Landesregierung hat mit der Koordination der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit das Staatsministerium beauftragt. Beiträge zu einzelnen Vorhaben können durch die Fachministerien oder nachgeordneten Behörden und Einrichtungen erbracht werden. Während frühere Landesregierungen vor gut 10 Jahren noch bis zu EUR 10 Mio pro Jahr in den Landeshaushalt für Entwicklungszusammenarbeit eingestellt hatten, wurde in den Folgejahren der Titel abgebaut und schließlich völlig aufgelöst. Seit 2000 ist das verfügbare Einkommen der Baden-Württemberger pro Person um ca. 17% gestiegen und die Einnahmen des Landes um ca. 14%. Nachdem die Baden-Württemberger somit inzwischen noch reicher geworden sind, ist es ein Gebot sozialdemokratischer Politik und Ausdruck der Solidarität mit den Menschen in Entwicklungsländern auch wieder Mittel für die Förderung der Zusammenarbeit bereit zu stellen. Es sollte daher im Einzelhaushalt des Staatsministeriums ein Haushaltstitel für Entwicklungszusammenarbeit eingestellt werden und dieser in den Folgejahren sukzessiv wieder in dem Maße, in dem die Haushaltskonsolidierung voranschreitet, mindestens wieder auf das alte Niveau angehoben werden.
 
 

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